Seit 50 Jahren unterwegs auf der Lötschenlücke
Interview mit Bergführer Marco Bomio
In welchem Jahr hast du deine erste Lötschenlücke Tour gemacht?
Das erste Mal ging ich im Alter von 18 Jahren (1972) mit Freunden der JO Blüemlisalp über die Lötschenlücke. Als Aspirant hatte ich 1978 meine Premiere auf dieser Tour.
Was hat sich an der Tour in den letzten 50 Jahren verändert?
Die Veränderungen sind hauptsächlich klimatischer Natur. Dies zeigt sich dadurch, dass der Gletscher an verschiedenen Stellen stark eingesunken ist. Die Höhe der Lücke liegt heute 25 Meter tiefer als vor 50 Jahren. Im Tal ist der Gletscher rund einen Kilometer zurückgegangen. Durch die Abflachung der Gletscherzunge gestaltet sich der Abgang vom Gletscher oberhalb der Fafleralp heute deutlich einfacher.
Wie hat sich die Abfahrt Richtung Fafleralp verändert?
Diese ist teilweise etwas heikler geworden. Aufgrund der gestiegenen Temperaturen und dem Auftauen des Permafrosts kommen von den Hängen auf der linken Seite immer wieder Eis und Geröll hinunter. Der korrekten Routenwahl kommt daher eine immer grössere Bedeutung zu.


Wie wirkt sich ein niederschlagsarmer Winter auf die Verhältnisse der Tour aus?
Im Winter 1989/1990 herrschte bis in den Februar schönes und trockenes Wetter ohne Niederschläge. Die Skigebiete konnten grösstenteils nicht geöffnet werden. Die Lötschenlücke bot damals eine ideale Alternative. Wir haben die Tour fast täglich geführt. Dies zeigt, – was wir auch heute beobachten können – dass die Verhältnisse auf dem Gletscher für Skitouren weniger von der Niederschlagsmenge im Winter beeinflusst werden. Der Wind bringt meist genügend Schnee auf den Gletscher. Ob dies in Zukunft so bleibt, wird sich zeigen.
Wie hat sich das Gästeklientel verändert?
Allgemein ist das Niveau gestiegen und die Leute sind fitter und haben natürlich eine viel bessere Ausrüstung. Weiter kommt hinzu, dass der Informationsstand puncto Wetter und Verhältnisse aufgrund der Digitalisierung gestiegen ist. Dies führt auch dazu, dass Skitourengänger*innen die Lötschenlücke heute eher selbständig begehen. Früher war die Lötschenlücke in der allgemeinen Wahrnehmung eine sehr anspruchsvolle Tour, gerade weil diese Informationen nicht zugänglich waren. Daher haben die Tourengeher*innen die Tour meist nur professionell-geführt unternommen. Es empfiehlt sich jedoch auch heute, die Tour mit einem Bergführer/ einer Bergführerin zu machen. Nebst dem Sicherheitsaspekt bekommt der Gast auch einen Mehrwert, da der Bergführer/ die Bergführerin die Situation im Gelände am besten lesen kann und dadurch die schönen und unbefahrenen Hänge findet. Gerade in der Abfahrt kann der Gast dadurch enorm profitieren und das Erlebnis wird zu einem grossen Genuss.

Welche Fähigkeiten und Erfahrungen muss ich mitbringen, um an einer geführten Tour über die Lötschenlücke teilzunehmen?
Die Gäste müssen in schwierigen Verhältnissen einen sicheren Stemmschwung fahren können und eine gute Kondition mitbringen. Das Problem ist oftmals, dass die Abfahrt nach Blatten unterschätzt wird. Sie ist sehr lange und die Verhältnisse sind fast immer an einem gewissen Punkt anspruchsvoll (Bruchharscht). Es ist daher wichtig, dass man bereits etwas Erfahrung mitbringt und schon die eine oder andere Skitour gemacht hat.
Zum Schluss?
Es ist nach wie vor eine grandiose Skitour. Gerade für Personen, die noch nicht so oft unterwegs waren, eignet sie sich sehr gut. Man sieht alle neun 4000er der Berner Alpen! Als Anschlusstour empfehle ich jeweils die Skitour «über die Bächilücke». Sie ist konditionell und technisch mit der Lötschenlücke zu vergleichen, geht jedoch 2 Tage – ist also bereits eine Steigerung.

Tagesskitour Lötschenlücke
