Die Gipfeltour auf den Eiger

Fränzi Schiesser erzählt uns von ihrer Tour auf dem schmalen Grat

Das Nötigste für die bevorstehende Tour in den Rucksack gepackt, fahre ich um die Mittagszeit nach Grindelwald los. Es gehen mir einige Gedanken zum Eiger durch den Kopf – Berichte von Touren, Sendungen aus den Medien, mit welchen ich mich in den vergangenen Monaten auseinandergesetzt hatte. Ui, und jetzt ist es soweit. Ich habe Vorfreude und zugleich grossen Respekt. Denn die Bilder des eindrücklichen und ausgesetzten Mittellegigrats schwirren in meinen Gedanken herum. Kein Grund zum Zweifeln, sage ich mir – ich bin gut vorbereitet und weiss was auf mich zukommt. Ich habe unvergessliche und schöne Vorbereitungstouren unternommen, bin akklimatisiert, meine Kohlenhydratspeicher sind gefüllt und auch die Wetterprognose ist gut. Diese positiven Gedanken lösen meine Anspannung etwas.

Selfie einer Frau mit Sonnenbrille und Kletterhelm
Fränzi Schiesser
links der schmale Mittellegigrat, im Hintergrund rechts geht die Sonne über den Alpen unter
Ausblick auf den Mittellegigrat
Berghütte im Dunkeln. Farbiges Licht des Sonnenuntergangs im Hintergrund
Mittellegihütte am Abend

In Grindelwald Grund angekommen, nehme ich bewusst die Zahnradbahn, denn ich will mir noch etwas Zeit lassen beim Hochfahren vor dieser herrlichen Kulisse. Wartend auf dem Perron, ertönt aus dem Lautsprecher Polo Hofer mit «Im letschtä Tram…», hoffentlich nicht… denke ich mir. Aber schön – das ist Berner Oberland «live». Das Bähnli zieht kräftig zur Kleinen Scheidegg hoch. Dort angekommen, steige ich auf den Zug Richtung Jungfraujoch um. Ein letzter Blick auf die grasenden Kühe auf den Alpweiden, bevor es in den dunklen Tunnel geht.

Bei der Station Eismeer steige ich aus. Bevor ich gleich meinen Bergführer treffe, schaue ich vom Aussichtsfenster Richtung Mittellegihütte hoch – unserem heutigen Tagesziel. Auf dem «Challifirn» sieht man schon die Spur Richtung Hütte. Etwas nervös begebe ich mich zum Treffpunkt. Es sind schon einige Personen dort, dies müssen die Bergführer sein. Auch andere Gäste treffen ein. Nach der Begrüssung und Vorstellung weiss ich nun, wer mein Bergführer ist. Fabian – er ist Aspirant im 2. Ausbildungsjahr. Gespannt auf die zwei Tage, seilen wir uns an. Anschliessend geht es runter zum Ausgang, in dem der Wind heulend hochzieht.

Angeseilt werde ich zum Gletscher runtergelassen. Nach ein paar Meter Fussmarsch geht Fabian voraus. Es herrschen angenehme Temperaturen. Zügig passieren wir den Gletscher, denn ob uns ist ein bedrohlich wirkender Gletscherabbruch. Angekommen am Fels, hält Fabian Ausschau nach dem «gäbigen» Einstieg. Die Tritte und Griffe sind in diesem Kalk klein, aber sie sind gut zu finden. Immer schön sicher stehend – mit kleinen Schritten – verläuft diese kurze Kletterpartie zunächst bergauf und anschliessend traversierend über Gesteinsbänder hoch zur Mittellegihütte. Wir kommen zügig voran. Fabian wirkt routiniert, sicher, verantwortungsvoll und ruhig. Das passt, wir freuen uns auf den bevorstehenden Gipfeltag. Zufrieden angekommen, geniessen wir den eindrücklichen Rundumblick auf der Mittellegihütte. Ein «Adlerhorst» mit Tiefblick. Ein besonderer Ort, den man nicht in Worte fassen kann… Herzlich begrüsst uns Mirjam, die Hüttenwartin. Sie bewältigt die ganze Hüttenarbeit allein, teilweise mit etwas Unterstützung der Bergführer*innen und Gästen. Mirjam verdient Respekt, das sind lange und arbeitsreiche Tage. Nach dem gemütlichen Zusammensitzen in der heimeligen Hütte, interessanten Gesprächen und einem hervorragenden «z’Nacht» gehen wir nach draussen, um die Abendstimmung zu beobachten. Der Nebel schlängelt am Grat herum. Alles ready für den bevorstehenden Tag? Ja, und nun ab in die «Horizontale» inklusive Ohropax.

Personen klettert an einem wolkenverhangenen Grat entlang
Berghütte auf einem schmalen Felsgrat
Mittellegihütte

Nach einem zufriedenen Schlaf geht es zum Frühstück mit dem obligatorischen «Kafi». Draussen beim Anseilen vor der Hütte im Stirnlampenlicht erwartet mich ein erster grandioser Moment: Die Farben am Horizont und der Mittellegigrat beleuchtet in den Lichtern zur Jubiläums Besteigung. Am kurzen Seil überwinden wir viele Aufschwünge und klettern hoch Richtung «grossen Turm». Nur unsere Schritte auf dem Felsen durchbrechen die Stille ein wenig. Mit dem zunehmenden Schnee und Eis montieren wir nun die Steigeisen. Die Seilschaften sind gestaffelt gestartet, so dass wir nur einmal kurz warten müssen. Dies bietet die Gelegenheit, einen Riegel zu essen und vom Grat aus in die Tiefe zu schauen: Unbeschreiblich – links und rechts geht es «ds Loch ab». In «grün» ist unten im Tal Grindelwald zu erkennen. Weiterhin ist Konzentration bei jedem Schritt und Tritt gefragt. Ein Ausrutscher oder Misstritt könnte fatal enden. Bei toller Kletterei mit den Steigeisen im Kalk gewinnen wir an Höhe. Über eine schmale Scharte steigen wir weiter zum «grossen Aufschwung». Zur Abwechslung geht’s wieder an Tauen hoch, aber immer schön auf den Steigeisen stehen, das spart Kraft und Energie – ja nicht mit den Armen hochreissen. Ein Bergführer hatte mir mal diesen Rat mitgegeben.

 

Seilschaft unterwegs über ein Firnfeld zum Gipfel des Eigers
Seilschaft unterwegs zum Gipfel des Eigers

Wir kommen dem Gipfel entgegen. Der sich aber kurz in eine Nebelkappe hüllt. Trotzdem, wir sind dankbar, haben grosse Freude und sind stolz, es geschafft zu haben. Jetzt gibt’s Gipfelcola und Schoggi, um den Moment zu feiern. Aber der Weg ist noch weit. Wir brechen auf zum Abstieg über den Südgrat. Entschlossen packe ich zwei kleine ausgeaperte Kalksteine als Erinnerung in die Jackentasche. Schon nach wenigen Metern sind wir wieder an der wärmenden Sonne. Mehrere Steilstufen seilen wir ab. Über plattige Felsstufen runter. Ein steiler Firnhang führt uns zum nördlichen «Eigerjoch». Ich bin gespannt, dort wechselt das Gestein von Kalk zu Gneis. Tatsächlich, schöne und abwechslungsreiche Kletterei führt uns über Fels-, Firn- und Eispassagen zum letzten Firngrat ins südliche «Eigerjoch». Dort angekommen, bin ich überwältigt von der stillen Bergwelt und vom Rückblick zum entfernten Eigergipfel. Aufgrund der Spalten laufen wir am gestreckten Seil über den Gletscher zur Mönchsjochhütte.

Ich bin dankbar für diese tolle Tour. Ein grosses Dankeschön an Fabian! Der letzte Fussmarsch zum Jungfraujoch führt uns zurück in die Zivilisation. Ein Kulturschock, so viel Volk nach dieser Stille. Sodass ich jetzt am liebsten wieder auf der Mittellegihütte wäre. Dafür den verdienten «Kafi» vor Augen und in der Nase. Wir fahren mit voll besetzter Bahn runter, steigen bei der Station Eigergletscher aus und laufen zielstrebig in ein ruhiges Restaurant und lassen diese unvergessliche Tour zusammen mit einer anderen Seilschaft bei guten Gesprächen ausklingen. Merci Fabian! Ebenfalls ein Dankeschön an Mirjam von der Mittellegihütte, Outdoor und auch meiner Familie, die mich immer wieder «ziehen» lässt.

 

Weitere Infos zur Gipfeltour auf den Eiger findest du auf unserer Webseite

Der Mittellegigrat des Eigers in der morgen Sonnen.